Es gibt Turniere, die im kollektiven Gedächtnis erhalten bleiben – sei es wegen schachlicher Höhepunkte oder aufgrund der Rahmenbedingungen und damit verbundenen Anekdoten. Über die schachliche Qualität beim Laimer Pfingsopen kann ich nur mutmaßen, die Rahmenbedingungen bieten in jedem Fall (je nach nervlicher Verfassung) gute Unterhaltung bis Bluthochdruck. Ein Bericht zur 6. Runde mit den Zwischenständen aktueller und ehemaliger Zugzwängler.

Einleitung

Das Laimer Pfingstopen ist Teil des Münchner Schachfestivals, das vom 26. Mai bis 06. Juni mit zwei großen Turnieren und jeweils einem A- und B-Open, sowie zwei Jugendopen durchaus ambitioniert angelegt ist. Mit 9 Runden, von Samstag bis Dienstag als Doppelrunden über das Pfingswochenende ausgetragen, bietet es sich vor allem für alle mit wenig Urlaubstagen und/oder wenig Zeit an, um Spielerfahrung zu sammeln. Zugzwang ist mit Jason und Lars (Berichterstatter) vertreten, die ehemaligen Zugzwängler Robert und Georg sind ebenfalls dabei.

Tag 1 – Schnitzeljagd und Kampf um Partieformulare 

Der erste unangekündigte Punkt im Rahmenprogramm war eine Schnitzeljagd von der Jugendherberge München City, dem in der Ausschreibung angegebenen Spielort, zum eigentlichen Spiellokal zum „Kultur im Trafo“ in Neuhausen. Als wir gegen 16:50 Uhr die DJH betreten und nach der Anmeldung fragen, wird uns von einem sichtlich angefressenen Mitarbeiter (der die Frage vermutlich zum 30ten Mal hört) beschieden, dass das Turnier an diesem Tag nicht hier stattfindet. Auf der Webseite war dazu leider nichts zu finden. Zum Glück sind es nur 5 Minuten mit dem Rad und die Anmeldung im „Trafo“ ist auch um 17:15 Uhr noch nicht geöffnet. Pünktlich zum Rundenbeginn um 18 Uhr ist ca. die Hälfte der Spieler angemeldet, also gehen wir erst einmal etwas Essen. Um 18:45 Uhr wird noch nach 13 vermissten Spielern gefahndet, die aber verschollen bleiben. Nach dem dann noch ein USB-Stick gesucht und gefunden wurde, können die Paarungen ausgelost werden. Die Schlange beim Hinterlegen der Handys ist das letzte Hindernis für den Spielstart. Mangels Schließfächern liegen die Geräte auf einem großen Tisch; nachdem die vorbereiteten fünfzig Nummern zur Zuordnung von Gerät und Besitzer/in ausgehen (O-Ton: „Kann ja keiner damit rechnen, dass soviele ihr Handy dabei haben“ :-) ), geht es auf Vertrauensbasis weiter – man wird ja schon sein eigenes Handy wieder finden. 

Das strenge Handyverbot gilt im übrigen nur für Spieler/innen und Zuschauer/innen; der Turnierorganisator darf auch im Turniersaal das Handy bei sich führen, selbstredend mit aktiviertem Klingelton.

Gegen 19:20 Uhr kann es dann losgehen. Die Partien sind freigegeben, dann doch noch ein kurzer Hinweis zu den Handys und wie man sie dann hoffentlich wieder bekommt; jetzt aber wirklich – mögen die Spiele beginnen! Georg und Robert sind in der oberen Hälfte der Setzliste und müssen sich gegen ambitionierte Jugendspieler durchbeißen, Jason und ich sind knapp in der unteren Hälfte und bekommen einen FM bzw. GM vorgesetzt und verlieren leider.

Hier das sehenswerte finale meiner Partie. Mein Plan, den Turm über die 7. Reihe zu entwickeln ist phänomenal gescheitert; anstatt profan den Bauern d5 einzusammeln, findet GM Haba eine bessere Möglichkeit:


GM Haba – Tebelmann, Stellung nach 23. … Dd8-d7; Weiß am Zug gewinnt. (mittel)
(* Lösung am Ende der Seite)

Während die Rückgabe der Handys halbwegs reibungslos funktioniert (vermutlich helfen diverse individuelle Bildschirmdefekte bei der eindeutigen Identifikation), gibt es erste Kämpfe um die Partieformulare: da auf Durschlagsformulare verzichtet wurde, die Formulare aber von der Turnierorganisation archiviert werden müssen, stehen die Spieler ohne da. So man denn sein Handy dabei hat, ist ein Foto möglich, andernfalls kommt Schreibarbeit auf. Für den Folgetag wird Besserung gelobt und Formulare mit Durchschlag versprochen – an den ersten 20 Brettern soll es außerdem eine Live-Übertragung gebe, da sei es dann ja eh egal...

 Georg und ich sind gegen 22:30 Uhr mit unseren Partien fertig und machen uns auf den Heimweg. Wir bekommen nicht mehr mit, ob die Wirte wie angedroht um 23 Uhr wirklich zu machen und Hängepartien enstehen. Es ist zumindest nichts deartiges überliefert.

Tag 2 – Fernkampf um die Saaltür

Der Tag beginnt mit der ernüchternden Erkenntnis, dass es weiterhin keine Durchschlagsformulare gibt. Die Handyabgabe ist dafür noch wilder, den es gibt nicht einmal mehr einen übersichtlichen Tisch, sondern nur einige Boxen, die im Verlauf der Runde häufiger ohne Beaufsichtigung sind. Zum Glück habe ich mein Handy zu Hause gelassen. Der Rundenbeginn rückt mit ca. 09:30 Uhr deutlich näher an die angekündigte Zeit als am Vortag.

Ein Blick in den Turniersaal:

Mein Gegner in Runde 2 gehörte anscheinend zu den „verschollenen 13“ und wurde am Vortag trotz Anwesenheit nicht ausgelost, das ist natürlich etwas frustrierend für ein Jugendtalent aus Indien mit einer entsprechend weiten Anreise. Auf der anderen Seite gibt es Spieler, die erst nach zwei bzw. drei kampflos verlorenen Spielen aus der Auslosung genommen werden – frustrierend für die Gegner und die Spieler/innen mit einem Freilos.

Als Ausgleich lasse ich meinen Gegner aus einer Verluststellung ins Remis entwischen. Jason gewinnt gegen einen Jugendspieler, Georg muss sich einem FM geschlagen geben und Robert holt sich ein verdientes Remis gegen einen FM durch zähe Verteidigung eines schlechten Endspiels.

In der Mittagspause hat Martin Erik für Georg und mich eine weitere Schnitzeljagd durch Neuhausen vorbeireitet. Auf der Suche nach einem geeigneten Lokal geht es quer über die Leonrodstraße, gejagt von der Tram vorbei an der Krulich’schen Zentrale wieder zurück zum Rotkreuzplatz, wo wir fündig werden und über Schach, Tapire und Turnierorganisation philosophieren.

In Runde 3 gibt es dann endliche die lang ersehnten Durschläge - zumindest an den meisten Brettern. Georg und ich liefern uns, wie wir abends feststellen, einen Fernkampf um die Saaltür. Ich sitze direkt neben der Tür und werde schier wahnsinnig, dass diese alle 20-30 Sekunden laut ins Schloss kracht. An einen Türstopper oder ähnliches hat niemand gedacht, aber ich bringe den Schiedsrichter dazu, sie mit einem Bistrotisch offen zu halten. Als Gespräche aus der Lobby zu hören sind, schließt Georg die Tür wieder. Nach einiger Zeit öffne ich sie wieder - wir liefern uns ein bis zwei Iterationen. :-)

Jason spielt Remis gegen eine WIM, Georg remisiert gegen einen Jugendspieler und Robert übersieht leider eine Taktik, die ihn die Partie kostet.
Ich komme zu meinem ersten Sieg:


Rindhiya-Tebelmann.png
Rindhiya – Tebelmann nach 41. Dg8xe6, Schwarz gewinnt (mittel)
(** Lösung am Ende der Seite)

Tag 3 – Erhöhte Sicherheitsvorkehrungen und Neuauslosung

Der dritte Turniertag beginnt damit, dass Rucksäcke nun auch nicht mehr im Turnierbereich zugelassen sind und vor dem Betreten des Saals ein Leitungsfinder/Ortungsgerät nach elektronischen Geräten am Körper sucht. Ich bekomme Flashbacks vom Kücheneinbau, bei dem ein solches Gerät auf der gesamten Wand Leitungen anzeigte... Am Vortrag sei es zu „einem ernsten Zwischenfall“ gekommen, genaueres wird nicht bekannt. Dafür stellt sich heraus, dass die Jugendherberge Schließfächer hat, d.h. Wertgegenstände und Handys nicht auf Vertrauensbasis herumliegen müssen.

Ob unabhängig zu dem „ernsten Zwischenfall“ oder nicht, aber in Runde 2 wurde anscheinened ein Ergebnis falsch gemeldet, sodass eine Neuauslosung der Runde kurz vor Rundenbeginn erfolgt. Ab etwa Brett 20 gibt es einige Verschiebungen und diverse Flüche bzgl. vergeblicher Vorbereitung sind zu vernehmen. 

Da das Türproblem immer noch besteht, erinnere ich frei nach Douglas Adams daran, dass ein Handtuch so ungefähr das nützlichste ist, was ein Schachspieler besitzen kann und löse das Problem der schlagenden Tür. Die Organisation ist begeistert…

Handtuch_small2.jpg

Mein Gegner tut mir den Gefallen und bietet mir nach einer guten Stunde ein Remis an. Ich bin zufrieden, dass ich meine Kondition etwas schonen kann und willige ein. Georg gibt sich einem FM geschlagen, Robert punktet gegen einen Jugendlichen und Jason stellt eine Figur ein.

In Runde 5 ist der 11-jährige Kasache am Nebenbrett ganz aufgeregt, als er erfährt dass nach 30 Minuten ohne Gegner die Partie entschieden ist und er so einfach einen Punkt bekommt. Nach 29:55 Minute läuft er schnell zum Schiedsrichter bevor der Gegner doch noch auftaucht. :-) Ich stelle gegen den amtierenden estnischen U18-Meister aus besserer Stellung eine Figur ein, Georg und Jason remisieren und Robert unterliegt unglücklich einem FM.

 

Tag 4 – ein Zwischenfazit

Der mehr oder weniger pünktliche Rundenbeginn führt dazu, dass einige Bretter zunächst leer bleiben. Mein Gegner hat am Vorabend anscheinend schlechtes Essen erwischt, sodass ich zu einem kampflosen Punkt komme und Zeit für diesen Bericht habe. Jason gewinnt gegen Georg, Robert behauptet sich einmal mehr gegen ein Jugendtalent. Die Zwischenergebnisse nach 6 Runden sind damit (chess-results): 

Rg. Snr   Name Land Elo Verein/Ort Pkt.  Wtg1   Wtg2   Wtg3 
37 45 b Heigermoser, Robert, GER 2145 SC Garching 1980 e.V. 3,5 25 10,50 3
47 55 b Tebelmann, Lars, GER 2022 MSA Zugzwang 82 e.V. 3 24,5 8,75 2
50 67 b Brozio, Jason, GER 1907 MSA Zugzwang 82 e.V. 3 23 8,25 2
70 48 b von Zimmermann, Georg, GER 2087 SK Gerolzhofen 2 23,5 5,25 1

Als Zwischenfazit lässt sich sagen, dass die Organisation sicher einige Lücken aufweist und davon lebt, dass einige Ehrenamtliche dies auffangen. Anderseits ist es schön, dass in Müchen große Turniere organisiert werden. Bleibt zu hoffen, dass für das ab Mittwoch startende Turnier die entsprechenden Lehren mitgenommen werden. Die Stimmung bei der Teilnehmer/innen ist trotzdem weitgehend gut, es wird nach den Partien gemeinsam analyisert. Sehr schön ist auch hohe Anteil an jugendlichen, internationalen und weiblichen Teilneher/innen.

Alle Ergebnisse gibt es bei chess-results, die ersten Bretter werden auf LiChess übertragen. Für potentielle Kibitze: am Dienstag findet das Turnier im Gymnasium München Moosach in der Gerastraße 6 (nicht in der DJH) statt.

 

… Fortsetzung folgt.

 

Lösungen:

* GM Haba – Tebelmann: 24. Sxg7! Ta8 (24. … Kxg7 25. Dd4! +- oder 24. … Dxg7 25. Tc8+ Kf7 26. Tc7+ +-) 25. Sh5 Df7? (besser 25. … Tf8 +-) 26. Dxd5! 1-0 (wegen 26. … Dxd5 27. Sf6+ und Damenrückgewinn)

** Rindhiya – Tebelmann: 40….Lxg2+ 41. Txg2 Df1+ 42. Tg1 Df3+ 43. Tg2 c2 0-1 (und das Matt ist nicht mehr zu verhindern z.B. 44. Lg5 c1D+ 45. Lxc1 Tc1# oder 44. h3 c1D+ 45. Kh2 Dxh3#)

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