Das Wichtigste gleich zu Beginn: Ich denke, Wien ist wirklich eines der schönsten offenen Turniere der Welt! Es findet aber nur alle zwei Jahre statt, und ich spielte es zuletzt vor 15 Jahren beim Millennium-Jubiläum. Ich traute meinen Ohren kaum, als ich bei der Eröffnungsveranstaltung hörte, dass der Magistrat der Stadt Wien die wunderschönen Räume des Rathauses dem Schachturnier für volle 9 Tage unentgeltlich zur Verfügung stellt! Eine solche Kulturförderung würde man sich auch in München wünschen....

Auf dem Platz vor dem Rathaus fand ein (zweimonatiges) Kulturfestival statt, wo jeden Abend auf einem großen Bildschirm und einer exzellenten Soundanlage klassiche Konzerte übertragen wurden. Außerdem konnte man sich an zahlreichen Buden und Ständen kulinarisch gut verpflegen. Das neugotische Rathaus war am Abend sehr raffiniert beleuchtet, was einen unvergesslichen Eindruck auf die Anwesenden hinterließ! Bernie und ich ließen und meistens auf den Parkbänken nieder, und schwelgten in lieblichen Erinnerungen an unsere Jugend.... So sah also das Abendprogramm aus.

Nun zum Tagesprogramm, nämlich dem Turnier. Während der berichtende Großmeister von der 1. bis zu 8. Runde in der Elo-Erwartung spielte (was einer Performance um 2550 entsprach), geriet Bernhard ab der 2. Runde ein wenig unter die Räder, und sah sich nach der kürzlichen Underperformance Biel mit einem doppelten DWZ- und ELO-Verlust konfrontiert. Ich denke, dass er in den letzten Jahren den Schwerpunkt zu stark auf die Eröffnungs-vorbereitung und zu wenig auf das Mittelspiel geegt hat. Überhaupt ist diese lästige Vorbereiterei inzwischen im Schach total ausgeufert, da sich selbst Spieler um die 2000 oder 2200 DWZ schon akribisch mit Chessbase auf ihre Gegner vorbereiten, wie ich am eigenen Leib erfahren habe.
 

Spannend wurde es für mich in der letzten Runde, als ich mit Schwarz gegen den österreichischen Nationaltrainer David Shengelia antreten musste. Leider wählte ich in der Eröffnung einen falschen Plan, der mich bereits im 15. Zug in eine kritische Position brachte. Beinahe hätte ich mich aber noch im Endspiel erfolgreich verteidigt, wenn ich nicht einen (auf GM-Niveau) unverzeihlichen Fehler begangen hätte, der zu einer technisch verlorenen Stellung führte.

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Ursprünglich plante ich hier, den weißen Springer mit f6 zu befragen, da er kein vernünftiges Rückzugsfeld hat. Plötzlich wurde mir jedoch klar, dass Weiß die Drohung taktisch parieren kann, nämlich mit 16.Txd5! Dxd5 17.Ld1! Kh8 18.Lb3 nebst Sf7+. Dabei übersah ich, dass Schwarz mit 17... e6 noch gewissen Widerstand leisten konnte. In der Partie zog ich schwächer 15...e6?!, was natürlich mit 16.Txb5 Dxb4 17.Txb4 Lxe5 18.dxe5 Sc6 19.Tb6 Sxe5 und Vorteil für Weiß beantwortet wurde. Am stärksten war wohl 15...Lxe5 (was ich ebenfalls berechnt hatte) 16.dxe5 De6! 17.Dd4 Td8 18.La5 Sc6 19.Txc6 Dxc6 20.Lxd8 Txd8 mit Ausgleich.

Noch peinlicher ist mir allerdings der folgende Endspielfehler:

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Weiß zog zuletzt f3, um den Springer auf d3 zu entwurzeln. Richtig wäre nun das triviale f5 gewesen, um ihn dauerhaft auf d3 zu stabilisieren. Wenn der Läufer den Springer nämlich schlägt, gibt es im Endspiel mit ungleichen Läufern keine reelle Gewinnchance für Weiß mehr. In der Partie folgte dagegen 26...Ld5?? und nach 27.fxe4 Lxe4 28.Kf1 sah ich, was ich angerichtet hatte. Der Springer hat kein vernünftiges Rückzugsfeld, und droht mit Ke2 befragt zu werden. Und das Endspiel nach dem mehr oder weniger erwungenen 28...f6 29.Ke2 Se5 30.Lxe5 fxe5 31.g4 nebst 32.g5 oder 32.Ld3 ist technisch verloren, denn diesmal sind gleichfarbige statt ungleichfarbige Läufer auf dem Brett, und der weiße Freibauer entscheidet die Partie. So einfach kann Schach sein!

Nun ja, es gibt Siege und Niederlagen, mit denen man verantwortlich umgehen muss. Niemand verliert gerne in der letzten Runde, noch dazu wenn es um das Preisgeld geht. Aber ich denke, in Wien war es das Wichtigste, dabei zu sein, und diese unvergessliche Sommerwoche in einer Kulturstadt wie Wien zu erleben.

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