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Liebe Schachfreunde,

die letzte Runde der 2. Bundesliga in Aue (Sachsen) verlief nicht nach den Erwartungen der nicht angereisten Fans von Zugzwang. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: wir haben mit 2:6 eine ziemlich kalte Dusche erwischt!

Zum Kampfverlauf. Die Partie, die mir nach etwa 25 Zügen am wenigsten gefiel, war die von Schachfreund Brommel (hier die Auflösung für Nicht-Insider: unser Brett 2 Stefan Bromberger), der gegen GM Meijers eine Qualität ins Geschäft gesteckt hatte, und sich nun verzweifelt über Wasser halten musste. Viele aus der Mannschaft hatten ihn bereits abgeschrieben, doch dann passierte ein kleines Wunder:

Diag1

Nicht unerwartet spielte Meijers hier 26.g3 gegen die Drohung Sf4+, wobei auch 26.Td1 Se3 27.Td3 oder sofortiges 26.Te4 in Betracht kam. Stefan trickste nun mit 26...Se3! Und hier griff Meijers endgültig fehl: 27.b3? Richtig war 27.f4 Td5 28.Le2 Ta5! (einziger Versuch) 29.Lf3! Txa2 30.Ta1 Txa1 31.Txa1 a5 32.Ta3! mit weißem Vorteil und guten Gewinnchancen im Endspiel. Der Partiezug ist zu langsam – die Musik spielt nicht am Damenflügel, sondern am Königsflügel. 27...g5! Auf einmal kommt die gefährliche Drohung Td6 nebst Th6+ ins Spiel. 28.Lc4 Die Alternative 28.g4 Td6 29.Kg3 Le5+ 30.Kf2 Ld4 führt mehr oder weniger zu Remis durch Zugwiederholung, außer Weiß probiert es mit dem avantgarden 30.f4. 28...f5! Viel stärker als das sofortige 28...Td6, wonach Weiß noch g4 probieren kann.

Diag2

Wieder einmal hat es Stefan geschafft, die taktischen Verwicklungen zu seinen Gunsten zu lenken. Angesichts der Mattdrohung muss Weiß die Qualität zurückgeben, wonach die Partie Remis ist. 29.Txe3 Lxe3 30.Te1 f4 31.Kg4 h6 32.h4 Kg7 33.hxg5 hxg5 34.Kxg5 Te8 35.Kg4 fxg3 36.Kh3 Te5 37.Te2 Lf4 38.Txe5 ½–½

Am ersten Brett spielte der Namensvetter Stefan (Kindermann) gegen Slobodjan eine für mich strategisch ziemlich undurchsichtige Partie, die schlussendlich mit Remis endete. Ich selbst war am dritten Brett in einem für mich ungewohnten Caro-Kann-System nicht wie gewünscht aus der Eröffnung gekommen, und musste etwa ab dem 15. Zug gegen den Ungarn Prohaszka um Ausgleich kämpfen – aber davon später mehr, denn diese Partie hatte noch ein spannendes Finale.

Unsere Probleme kulminierten diesmal jedoch an den mittleren Brettern. Markus (Lammers) war in seinem geliebten Benoni in einer aktuellen Modevariante schlecht aus der Eröffnung gekommen, und musste bereits im frühen Mittelspiel einen Bauern geben, um die Entwicklung abzuschließen. Dieses mutige Opfer wurde jedoch ziemlich konsequent mit dem Partieverlust bestraft. Falk (Hoffmeyer) am fünften Brett hatte einen ungewöhnlichen Sizilianer auf dem Brett, den ich als ausgeglichen einschätzte, und in der Tat bekam er von Eichner ein frühes Remisangebot, das er jedoch ablehnte. Diese Partie war taktisch eine der Spannendsten, denn auf einmal stand das Brett in Flammen, doch wurde leider aus Zugzwang-Sicht der falsche König verkohlt. Gerne hätte ich die spannende Diagrammstellung hier gezeigt, aber aufgrund der unermesslichen Weisheit des Deutschen Schachbunds bzw. des Spielleiters Jürgen Kohlstädt werden die Partien leider nicht zum Download bereitgestellt. Und auch die Partie von Martin (Motl) entwickelte sich leider nicht ganz zu seinen Gunsten, da er erstens eine Qualität geben musste und zweitens in horrende Zeitnot geriet, was sein Schicksal besiegelte. Somit waren nach vier Stunden 3 Partien verloren gegangen und zwei Remis, sodass die Gesamtniederlage nur noch eine Frage der Zeit war.

Dafür gefiel dem Käptn, was er an den letzten beiden Brettern sah. Bernhard (Gerstner) spielte eine sehr trockene Partie, die wohl nie ernstlich aus dem Gleichgewicht geriet, ein bisschen mehr Pfeffer wäre vielleicht wünschenswert gewesen, aber so ging das Remis in Ordnung. Besonders hervorzuheben ist jedoch die Leistung von einer blondhaarigen jungen (!?) Dame namens Dijana (Dengler), die wie eine Löwin kämpfte, und ihre beste Partie seit langem ablieferte. In einer sehr scharfen Stellung mit Mehrqualität und einem gedeckten Freibauern ließ sie sich allerdings nach der ersten Zeitkontrolle auf eine Zugwiederholung ein, weil sie befürchtete ansonsten unter zu starken Druck zu geraten. Ehrlich gesagt hatte der Käptn mit einem Sieg gerechnet, aber auch so war die Partie ein Genuss für die Zuschauer! Bravo Dijana, du wirst nächste Runde gegen Dresden wieder eingesetzt!

Somit stand es also 5:2 gegen uns, sodass meine noch laufende Partie keine Rolle mehr für das Gesamtergebnis spielte. Da das Endspiel aber studienartig war, soll es hier der geneigten Leserschaft nicht vorenthalten werden:

Diag3

Hertneck-Prohaszka, Stellung nach dem 53. Zug von Weiß:

Bei solchen Bauernrennen weiß man nie, wer besser steht. Das Problem ist nur, dass Schwarz zwei Bauern im Rennen hat, und Weiß nur einen. Ich hatte nun auf das voreilige 53...h2? gehofft, das mit 54.Txe5! Txe5 (54...Td8+ 55.Td5 Txd5+ 56.cxd5 h1D 57.a8D führt zu weißem Vorteil) 55.a8D Te1 56.Db7+ Kg6 57.Dc6+ mit einem spannenden Übergang gekontert wird. Leider folgte aber das korrekte  53...Lf4! 54.Sf1 (einziger Zug) 54...Kg6! Wieder ganz exakt gespielt, denn weder 54...h2 55.Sxh2 noch 54...g3 55.Sxg3 war in taktischer Hinsicht erstrebenswert. 55.Txc5 g3! 56.Sxg3 Lxg3 57.Ta5 Ta8 In der Partie dachte ich, dass 57...h2 58.a8D Txa8 59.Txa8 h1D 60.Tg8+ Kf5 61.Txg3 Remischancen bietet, tatsächlich aber gewinnt Schwarz nach 61...Dd1+ 62.Ke3 De1+ 63.Kf3 Df1+ 64.Ke3 Df4+ leicht. Weiß muss also zu 58.Ta1 greifen. Der schwarze Textzug ist erneut einfach und stark. 58.Ke4 h2 59.Ta1

Diag4

Oberflächlich betrachtet sieht es immer noch nicht ganz hoffnungslos aus, zumal Schwarz den falschen Läufer für den Randbauern hat. Das Problem ist aber der schwarze Turm! 59...Txa7 60.Th1 Alle anderen Turmzüge verlieren ebenfalls: 60.Td1 Le1!; 60.Tf1 Te7+ 61.Kd3 Te1 60...Kg5! und nun musste ich leider feststellen, dass nach 61.Kf3 Kh4 62.Kg2 Ta2+ die Partie gelaufen ist. Natürlich hatte ich davon geträumt, den König nach h1 zu überführen, was ich für eine Festung hielt, doch auch hier würde Schwarz zum Beispiel nach 60...Tb7? 61.Kf3 Txb3+ 62.Kg2 Kg5 63.Tf1 Kg4 64.Kh1 Kh3 65.c5 Lf2! Nebst Tg3 und Tg1+ noch gewonnen. Also  0–1

Wie sieht es nun in der Tabelle aus?

 

Mannschaft

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

 

Sp

MP

BP

1.

USV TU Dresden

 + 

 

 

 

 

5

6

 

5

10

29½

2.

Bindlach-Aktionär

 

 + 

 

4

 

 

 

5

9

24

3.

FC Bayern München

 

 + 

 

 

 

 

5

8

24½

4.

Nickelhütte Aue

 

 

 + 

 

6

 

5

 

5

8

22½

5.

Erfurter SK

 

4

 

 + 

 

 

3

5

 

5

5

20

6.

MSA Zugzwang

 

2

 

 + 

 

5

 

 

5

4

18½

7.

USV Halle

 

 

 

 + 

4

 

 

5

3

20

8.

SG Leipzig

3

 

 

5

3

4

 + 

 

 

 

5

3

17½

9.

SC Garching

2

 

 

 

 + 

 

 

5

0

13

10.

TSV Wacker Neutraubling

½

3

3

 

 

 

 

 + 

 

5

0

10½

An der Spitze werden Dresden und Bindlach den Aufstieg in die 1. Bundesliga wohl unter sich ausmachen. Immerhin stehen wir noch auf einem ungefährdeten sechsten Platz, während Teams wie Wacker Neutraubling (unser Mitaufsteiger aus der Oberliga) sowie der SC Garching sich de facto mit 0 Mannschaftspunkten nicht mehr retten können. Einen Kampf um den dritten Abstiegsplatz (wenn dieser Fall eintritt) liefern wir uns mit Leipzig und Halle.

Wie man dem Bild entnehmen kann, ist die Mannschaft bisher noch ganz optimistisch!

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G. Hertneck