[ud] Diesen Sonntag ist es der Aufsteiger TSV Solln, der gegen unsere gut aufgestellte Truppe punkten möchte. Gegen die Bayern hat das bereits geklappt. Aber zwei starke Spieler an den vorderen Brettern fehlen bei Solln. Werden wir unsere abstrakte numerische Überlegenheit – nein, wir spielen nicht zu zehnt – auch in zählbare Punkte umsetzen können?
Den narren spiegel ich diß nenn
In dem ein yeder narr sich kenn
Wer yeder sy, wurt er bericht
Wer recht in narren spiegel sicht*
Sebastian Brant
HAPPINESS, n. An agreeable sensation arising from contemplating the misery of another.**
Ambrose Bierce
[ud] Diesen Sonntag ist es der Aufsteiger TSV Solln, der gegen unsere gut aufgestellte Truppe punkten möchte. Gegen die Bayern hat das bereits geklappt. Aber zwei starke Spieler an den vorderen Brettern fehlen bei Solln. Werden wir unsere abstrakte numerische Überlegenheit – nein, wir spielen nicht zu zehnt – auch in zählbare Punkte umsetzen können?
Ha! Wir können. Die Ungeduldigen damit befriedet, können wir uns dem Verlauf des Kampfes widmen. Gleich zu Beginn irritiert mich ein Plakat im Wirtsraum:
Wie? Kein Schach heute? A Sauspiel? Quod lux lux.
Felix beruhigt mich, ich muss nicht zum Urologen, sondern darf mich ans Brett setzen.
Im anderen Nebenraum sind weitere Spiele angesagt. Zwei Begegnungen des Münchner Ligapokalwettbewerbs werden ausgetragen, wobei mir ein Geselle unangenehm auffällt, weil er offenbar glaubt, weltmeisterliche Spielbedingungen seien gerade für ihn unerlässlich. Ansonsten könne er nicht spielen. Vermutlich leidet er unter πριαπισμός.
Die Spenglersche These von „Morphologie gleich Psychologie“ wird im Schach schmerzvoll bestätigt. Ein Grund, warum viele dem Schachspiel den Rücken kehren und sich in einen δύσκολος verwandeln.
Kommen Sie zur Sache, mein Herr! Gut, gut. Also zur Übersicht.
Heute zeigen wir Spiellaune, wir finden an den Brettern ergötzende aber auch aufschlussreiche Stellungen, ganz nach dem Geschmack des nimmersatten Zaungastes. Wir kennen es schon: Alle anderen Stellungen wecken mehr Wissbegierde als die eigene Stellung. Nun denn.
Caesar. Eine Najdorf-Variante der Sizilianische Verteidigung muss es schon sein – aut Caesar aut nihil.
Das Spiel des Weißen ist ganz der Kontrolle des Feldes d5 gewidmet. Die meisten Partien werden hier mit … g5 fortgesetzt, z. B. in Hansen—Nakamura, Malmö/Kopenhagen 2005, Daniel lässt es ruhig angehen, vertraut auf seine Stärke. Dem stimme ich zu, sein Gegner übermäßig unruhig angespannt, schnell spielend, die Erregung mittels flüssigem Sedativum noch im Zaum haltend.
Roman bekommt mal wieder seine Lieblingsvariante. Staubtrocken. Er sagt sich: Wenn schon Morphy das für das Beste gehalten hat, dann kann ich es auch spielen.
Und bekommt Schützenhilfe vom Weltmeister höchstpersönlich. Denn bis hierhin hat es auch Carlsen so gespielt. Die Stellung sieht harmlos aus, aber Weiß hat das Läuferpaar und die typisch Morphysche Idee, den f-Bauern nach vorn in die schwarze Königsstellung zu rammen. Klingt seltsam, aber hier bahnt sich ein furioser Angriff an.
Martin M. an Brett drei wiederum wählt seine Lieblingsaufstellung gegen die Englische Partie.
Eine klassische Aufstellung, ein Maróczy-Aufbau mit vertauschten Farben. Weiß hat sich mit 8. d3 früh festgelegt. Marin empfiehlt stattdessen 8. a3, um auf 8. … Le7 mit 9. b4 ein interessantes Bauernopfer zu bringen. Jetzt verläuft das Spiel in ruhigeren Bahnen. Beide Seiten werden lavieren, wo die Figuren am besten stehen, weiß ich aber nicht.
Der Überbringer von Glück und Leid freut sich, dass sein Gegner ohne Zögern und Denken einen passiven Aufbau wählt. Die beste Entscheidung, die ich treffen muss, ist, ob ich das Zentrum offen oder geschlossen haben möchte. Ich entscheide mich für die geschlossene Variante – goldrichtig, denn mein Gegenüber, weiß damit nichts anzufangen und verschlechtert Zug um Zug seine Position.
In diesem Moment muss ich die Richtung weisen, wohin mein Spiel gehen soll. Die klassischen Vorbilder ziehen den Springer nach e1. Er kann dann entweder nach d3 – um f4 zu unterstützen – oder über c2 nach e3 – um nach f5 zu schielen und den Bauern c4 zu decken, damit im Falle von … c5 der Vorstoß b4 durchgeführt werden kann. Ein schönes Beispiel ist die Partie Smyslov—Panov, Moskau 1943:
Der Damenflügel ist blockiert und Weiß möchte am Königsflügel zum entscheidenden Schlag ausholen. Dabei stört sein eigener König. Smyslow bringt also zuerst seinen Monarchen in Sicherheit, ähnlich wie bereits in der Partie Aljechin—Yates, Semmering 1926, marschiert der König. Es ist nicht – wie auch ich dachte – eine Erfindung Petrosjans! Jedenfalls lautet seine Route in den nächsten acht Zügen Kg2–Kf1–Ke1–Kd1–Kc2–Kb3. Danach schlägt er zu.
Ich habe mich für den Königsflügel entschieden und Sh4 gezogen.
Bernhard dürstet nach dem Blut seines Gegners und kann kaum seinen Augen trauen, wie unverfroren plump dieser ihn angeht. Er denkt sich wohl: Ist mir doch egal, was mein Gegner macht, ich spiele mein bewährtes d4, e3, f4, Ld3 und Sf3. Das kann einen Positionsspieler wie Bernhard natürlich nicht aus der Fassung bringen und schon nach wenigen Zügen ist klar, wer die Peitsche schwingt.
Das weiße Konzept ist völlig in die Hose gegangen. Von e4 kann er nur träumen und ein Springer auf e5 wird jederzeit mit d6 rausgeworfen. Das sieht überzeugend aus.
Mauro muss sich als Anziehender in einem Tarrasch-Franzosen mit 3. … Le7 auseinandersetzen – der geneigte Lesende erinnert sich möglicherweise hier an etwas … Allerdings scheint der Nachziehende selbst erschrocken ob seiner Eröffnungswahl, denn er „korrigiert“ sofort seinen modernen Ansatz und lenkt durch einige Schlagfolgen auf e4 über in die zähe Rubinstein-Variante der klassischen Verteidigung.
Das spielt natürlich Mauro in die Hände und als sein Gegner auch noch frech den Springer von seinem König entfernt, lässt Mauro sich nicht zweimal bitten und baut eine Dame-Läufer-Batterie mit 13. De4 auf. Wegen der Hängestellung des Läufers auf b7 kann der Springer nicht mehr zurück – o Graus! – und muss seine Königsstellung mit einem Bauernzug schwächen. Als ich zufällig in diesem Moment an Mauros Brett vorbeikomme, erschaudere ich, denn ein leichter Hauch von Fäulnis trifft meine Nase. Was kann das bedeuten? Ist die Stellung bereits so reif wie Harzer Käse?
Ein Gedicht? Ein Gedicht! Betrachte ich die Stellung länger, taucht das Gedicht „Schöne Jugend“ von Gottfried Benn vor meinem geistigen Auge auf („Der Mund eines Mädchens, das lange im Schilf gelegen hatte, / sah so angeknabbert aus. / …“ – ihr kennt den Rest)
Il capitano – chi tocca muore?!
Felix hat alles im Griff und eine schöne Benoni-Stellung hingezaubert. Der weiße Läufer auf c4 sieht merkwürdig aus. Will er kannibalisch den eigenen Bauern anknabbern? Das Feld e5 hat sich schön rausgeputzt und freut sich auf einen wilden Hengst, dass er es einnähme im Sturm.
Martin L. grummelt vor sich hin: „Sonntags habe ich mindestens 2050, ich bin so stark“. Die Eröffnung ist ein Schmankerl für Kenner:
1. e4 d5 (Hier könnte man glauben, die Eröffnung hieße Skandinavisch) 2. e×d5 Sf6 3. c4 (Häufiger wird 3. d4 gespielt. Nach 3. … S×d5 dann entweder Sf3 oder c4) 3. … c6 4. d4 c×d5 (Jetzt haben wir mit Zugumstellung den Panow-Angriff der Caro-Kann-Verteidigung erreicht) 5. Sc3 d×c4 6. L×c4 e6 7. Sf3 Le7 8. 0–0 0–0 (siehe Diagramm)
Eine weitere Zugumstellung! Wir sehen zu unserem Erstaunen eine Form des angenommenen Damengambits auf dem Brett. Und zwar eine ganz alte Form, die bereits Steinitz – who the hell is Steinitz? – in seinem Wettkampf mit Zukertort 1886 bevorzugt hat. Steinitz war der Auffassung, dass man den Bauern d4 erst am Vorrücken hindern muss, danach Figuren abzutauschen trachtet und gleichzeitig den isolierten Bauern verstärkt belagert. Schwarz hat deshalb die besseren Chancen – so Steinitz.
Schon kurze Zeit später erkannte Tarrasch – wer ist denn der schon wieder? –, dass Weiß sehr aktive Figuren besitzt, die der Anziehende für Aktionen im Zentrum und für einen Königsangriff nutzen kann. Die e-Linie ist geöffnet, der Springer bekommt das schöne Feld e5 und der schwarzfeldrige Läufer hat durch den frühen Tausch auf d4 freie Bahn.
Fazit: Es geht hier um den Isolani, ein ganz wilder Hund unter den Schachspielern, viele fürchten ihn und weichen ihm ängstlich aus, andere, noch Wildere, benutzen ihn sogar für die eigenen düsteren Zwecke. Das verspricht viel.
Fazit zwei: Die Bretter 2, 4, 5 und 6 versprechen viel und alle anderen können es werden.
So, jetzt dürft ihr mich μαίανδρος heißen.
Aber ich sage euch, es geht erst los. Und es wird viele erbauliche und spannende Dinge zu sehen geben. Echt? Jo, scho. Jo mei, schau ma moi.
Zuerst passiert es bei Bernhard. Sein Gegner – ihr erinnert euch an die Stellung? – kommt auf die schlechte Idee, er müsse den Läufer auf b2 stellen und zieht b3. Übersieht dabei das nicht so schwer zu sehende Gäbelchen des schwarzen Springers auf c3, was die Qualität gewinnt und gleichzeitig noch die Stellung ruiniert. Danach will er es wohl schnell hinter sich bringen und zieht in einem Affentempo drauflos. Bis zu dieser Stellung:
Allen Ernstes oder von allen guten Geistern verlassen zieht Weiß hier 29. Sb1?, eine Kapitulationserklärung, die sagen will: „Ich stell die Figuren schon mal in die Ausgangsstellung zurück für eine neue Partie.“ Bernhard sieht das genauso und erlöst seinen Gegner in wenigen Zügen.
Zwischenstand: 1:0
Ich bin sehr erfreut und wende mich dem Nebenbrett zu, wo Mauro seinen Gegner mit einer petite combinaison überspielt hat.
16. … S×f2? (Schwarz nimmt offensichtlich an, dass sein Springer ein Kind des Todes sei. Allein, die Sache ist nicht so klar wie sie scheint: 16. … Sc3! 17. Ld2 (17. L×f8 L×f8, und man kommt nicht an den Springer) 17. … Lb4 18. a3 Se2+! 19. L×e2 L×d2 20. S×d2 D×d4, mit nur geringem Vorteil für Weiß)
17. L×f8 Lf6 18. K×f2? (Hier verpasst Mauro den sofortigen Schluss mit 18. Le7! L×e7 (18. … Sh3+ 19. g×h3 L×e7 (19. … L×d4+ 20. Kg2) 20. Le4 +–) 19. K×f2 +–)
18. … L×d4+ 19. Ke2 L×a1 20. Lh6?! (20. Le4! Tb8 21. Le7!, und Weiß gewänne noch einen Bauern)
O.k., das wird schon, das Endspiel ist nicht so einfach. Mauro muss die Partie nochmal gewinnen.
Bei Martin L. läuft eigentlich alles nach Plan. Sein Gegenüber spielt ihm wundervoll in die Hände.
Der Damenzug nach c7 fällt in die Kategorie „Denn sie wissen nicht, was sie tun …“ Aber um Himmels Willen! Was macht denn der Martin da? Er löst den Isolani mit d5 auf. Das kann doch nicht wahr sein. Er schreit nach Bestrafung! Um die Mannschaft nicht zu dezimieren, erspare ich Dir die sonst obligatorischen hundert Liegestützen. Stattdessen musst Du bis zum nächsten Kampf die Seiten 10 bis 104 des Buches von Baburin Winning Pawn Structures auswendig lernen! Als Alternative für den Faulen – oder heißt es Faulenden? – kannst Du gnädigenhalber nur die Aufgaben lösen.
Das Auflösen des Isolanis durch den Vorstoß d5 führt hier zu einem drastischen Abfall der Stellungsspannung. Der Vorstoß wäre kräftig, stünden bereits die Türme auf den zentralen Linien. Die leicht zu erratende Folge: Remis nach 18 Zügen.
Zwischenstand: 1½:½
Eine andere Weiß-Partie hat sich gut entfaltet.
Der Anziehende hat alles im Griff. Wie geht es weiter? Es gibt so viele verlockende Fortsetzungen. Schließlich ringe ich mich durch und wähle eine zwingende Variante, die nach meiner Vorschau einen Bauern gewinnen sollte. Vielleicht hätte ich besser am Königsflügel weitermachen sollen?!
Der Anziehende hat alles im Griff. Wie geht es weiter? Es gibt so viele verlockende Fortsetzungen. Schließlich ringe ich mich durch und wähle eine zwingende Variante, die nach meiner Vorschau einen Bauern gewinnen sollte. Vielleicht hätte ich besser am Königsflügel weitermachen sollen?!
Nach 16. Db3! L×f5 17.e×f5 kommt mein Gegenüber auf die bizarre Idee, den Springer ins hinterste Eck zu stellen und übersieht dabei eine simple Taktik: 17. … Sh8?? 18. d×c6 aus und vorbei.
Viel besser wäre das erwartete 17. … Se7 gewesen. Darauf ist die beste Fortsetzung 18. a4! c×d5 (18. … c5 19.a5 Sd7 20. Lh3 +–) 19. c5! (19. L×b6 D×b6 20. D×b6 a×b6 21. S×d5 Tab8 22. S×b6 S×f5 23. Sd7 Tbd8 24. Ld5+ Kh8 25. S×f8 T×f8 26. L×b7 +–), und Weiß wird als Sieger den Turnierplatz verlassen.
Meine Variante beim 16. Zug plante 18. d×c6 b×c6 19. c5+ Sbd5 20. S×d5 c×d5 21. L×d5+ S×d5 22. D×d5+ ±. In der Analyse, na ja, es ist eher ein Monolog meines Gegners, behauptet Schwarz, dass er nach 22. … Kh8 (22. … Df7 ist natürlich viel besser) keine Probleme habe.
Meinen wispernden Einwand, ich könne dann doch 23. c6! spielen, wurde mit großflächigem Handwischen abgetan, denn ich würde ja nach 23. … a5 24. Tac1 Ta6 (24. … Tec8 25. Tc4 Ta6 26. Tfc1 +–) den Bauern c6 verlieren. Ich habe den Monolog meines Widersachers dann höflich ohne eines weiteren Kommentars beendet.
Zwischenstand: 2½:½
Was tut sich bei unserem Primus?
Daniels Gegner hält lange Zeit gut mit, beide Seiten lavieren geschickt mit ihren Figuren. Daniel schafft ein Ungleichgewicht, indem er mit Läufer gegen Springer arbeitet, überlässt dafür seinem Gegner einen Freibauern auf der b-Linie, den er aber gut kontrolliert. Beide Seiten haben noch Bauernschwächen, Daniel auf d6 und Weiß auf e4. Der Druck wächst und ich merke die Anspannung im Gesicht des Anziehenden. Interessanterweise wähnt er sich im Vorteil. Komischerweise findet er aber nichts Greifbares.
Hier hat Weiß den angegriffenen Turm von der Grundlinie weggezogen: 29. Tb2.
Solche Züge sind mit Vorsicht zu genießen. Die Grundlinie weckt ohne „Luftloch“ für den König immer beliebtes taktisches Begehr. So auch hier: 29. … Tc1+! 30. Sd1 (30. Sf1 Lc4) 30. … D×e4! 31. Dd2 Ld5 32.f3 Dd4+ 33. D×d4 e×d4 34. Td2 Lb3 –+. Das wär so schön gewesen. Leider ist Daniel ganz im Laviermodus, wir müssen uns also noch etwas gedulden.
Roman scheint glänzend aufgelegt zu sein. Er hat soeben den f-Bauern kräftig nach vorne geschoben, mit unmissverständlichen Absichten.
Schwarz muss hier schnell Gegenmaßnahmen ergreifen, sonst kommt er unter die Räder. Was tun? Jedenfalls nicht das ängstliche 12. … Sbd7?!. Besser ist 12. … Db6! wie in der Partie Ivanchuk—So, Khanty-Mansiysk 2009. Die Partie ist von Wesley So ausführlich kommentiert und ist sehr empfehlenswert. Nach 13. f5! Db6 14. Se2 g×f5 15. T×f5 Tae8? spitzt sich der Kampf dramatisch zu:
Scheinbar hat Schwarz alles im Griff. Der Springer ist gedeckt, die Dame schielt nach d4 und b2 und der Turm hat die offene Linie besetzt. Was jetzt? Roman packt den Stier bei den Hörnern: 16. L×f6 S×f6 17. T×f6! g×f6. Wird der Angriff durchdringen? Fortsetzung folgt …
Was macht unser Ass am dritten Brett, Martin M.?
Huch! Da hat Martin ein schönes Durcheinander mit seinen Figuren angerichtet. Hoffentlich geht das gut. Ich habe es schon oft gesagt und wiederhole es gern. Aufpassen, wenn Figuren ungedeckt stehen. Stell dir die Frage von Dan Heisman: Is it safe? 18. Se4 b6 Remis! Glück gehabt. Nach 18. Dc2! würde nicht nur ein Bauerngewinn auf c5 drohen, sondern sogar der Gewinn des Springers b5.
Zwischenstand: 3:1
Hat sich Mauro inzwischen von seinen verpassten Chancen erholt? Das Endspiel ist nicht einfach. Er muss irgendwie am Damenflügel einen Freibauern bekommen und gleichzeitig aufpassen, dass Schwarz nicht mit seinen Bauern am Königsflügel ins Rollen kommt.
26. g3?! (eine überraschende Taktik wäre mit 26. Sg5! möglich. Es droht einfach Sf7 und Td8 scheitert an der Gabel auf e6: 26. … Lb2 (26. … f4 27. Ld2 und evtl. Lb4) 27. Se6+ Kf7 (27. … Kf6 28. Lg5+ Kf7 29. Sc5+ Kg7 30. Lf6+ Kh6 31. Se6 +–) 28. Sd8+ Kg7 29. Sc6 ±) 26. … h6 27. h4 Tf8 28. b4 f4 29.g×f4 e×f4 30. Lf2?! Lc3 (nach 30. … Te8+ 31. Kd3 Kf6 hätte ich Angst vor den schwarzen Bauern) 31. a3 Kf6 32. Kd3 Lb2 33. a4
33. … Tc8 (33. … Kf5 34. Le4+ Kg4 35. Sh2+ Kh3 36. Sf3 Kg4 (36. … Kg2 37. Le1=) 37. Sh2+=), und die Entscheidung ist vertagt.
Was macht Felix eigentlich? Wir haben schon lange nichts mehr von ihm gehört. Kein Wunder, denn er malträtiert unsere Nerven mal wieder, indem er die Ausführung seiner Züge verweigert. FELIX! WACH AUF! Mach endlich was gegen Deine Zeitschlampereien.
Das sieht doch wunderbar aus! Mit seinem nächsten Zug zeigt Felix, wer das Heft des Handelns in Händen hält: 22. … f4! 23. De4 Tae8 24. h4 f×g3?! Die Linienöffnung ist verlockend, aber es ginge bereits brachial mit 24. … f3+!, und der König hat nur schlechte Felder zum Ausweichen:
25. Kh3 (25. Kh2 Dh5!; 25. Kg1 Dd2! 26. De3 D×b2 27. Tb1 Sd3 –+) 25. … c4 26. Tf1 Dd2! 27. Dc2 (27. De3 D×e3 28.f×e3 Sd3 29. L×f3 S×b2) 27. … Dd4 28. De4 (28. Tb1 Dg4+ 29. Kh2 Sd3 30. Dd2 Sf4 31. Kg1 Te2) 28. … Dc5 29. Tb1 Dc8+ 30.g4 (30. Kh2 Sg4+) 30. … Sd3 –+. Schade! Aber die Stellung ist trotzdem gut. Es ist noch alles drin.
Felix imperator packt den Hammer aus: 27. … Sf3!!
Was kommt denn auf L×e8? Das halte ich nicht länger aus und schau mir lieber das Schlachtfest am dritten Brett an.
Romans Gegner hat sich tatkräftig gegen die Mattattacke gewehrt. Was nun? Mit dem eleganten Sperrzug 22. Dh6! Verhindert Roman nicht nur die Flucht des feindlichen Königs, sondern droht gleichzeitig Matt. Nach 22. … Tg7 folgt der finale Knockout mit 23. Sh5. In seiner Verzweiflung opfert Schwarz auf g2 den Turm und danach Haus und Hof. Es hilft ihm nichts!
Zwischenstand: 4:1
Mauro ist es in der Zwischenzeit gelungen, am Damenflügel ernsthafte Schwächungen zu erzeugen.
Schwarz hat gerade mit Te7 den Bauern gedeckt, da durchfährt es mich und Bernhard siedendheiß: Lb7! (Sperrt den Turm von der Verteidigung des Bauern a7 aus und droht ganz fies auf c8 einen tödlichen Stich) Aus! Aber nein! Er macht’s nochmal spannend. Zum Glück hat das sein Gegner nicht bemerkt und wenige Züge später entsteht die folgende Stellung:
Jetzt aber. JAAA! Mauro sieht es und spielt das vernichtende Lb7. Kurz darauf können wir jubeln.
Zwischenstand: 5:1
Und was macht unser Patient?
Weiß kann eh nichts anderes machen und nimmt den Turm, worauf Felix den Monarchen ins Freie jagt.
Hier verpasst Felix in Zeitnot unsterblich zu werden. Mit dem hinterlistigen Damenzug 30. … Dd2! wird der Turm abgelenkt, denn es droht fürchterlich Dh6. 31. Te3 (31. De3 Tf5+ 32. Dg5 T×g5+ 33. h×g5 Dh2 wäre ein schönes Mattbild) und jetzt 31. … Df2! mit vernichtenden Drohungen. Die krasseste Variante lautet: 32. g4 Df6 33. g5 Dd8! 34. g6 D×e8 35. Tg1 Tf4!
36. D×f4 h×g6+ 37. Kg5 De7+ 38. Df6 D×f6 matt!
Stattdessen spielt Felix 30. … Dh3?! 31. g4 T×e8 (mit 31. … Tf6! wäre er weiter am Drücker geblieben. 32. g5 Tf8 33. a5 (33. Th1 Dc8!)33. … T×e8 34. Tf1 Tf8 35. T×f8+ L×f8 36. Tg1 Dd7 37. g6 h×g6+ 38. T×g6+ Kh8 39. Tf6 De8+ 40. Kg5 Le7 mit Vorteil Schwarz) 32. Te3! Dh2 33. Te2 Dg3 34. Ta3? Tf8? (die letzte Chance wäre 34. … Dg1! 35. Sb1 Tf8 36. Sd2 Dd1! mit unklarer Stellung gewesen) Nun ist’s endgültig aus und Felix muss sich in eine bittere Niederlage fügen.
Zwischenstand: 5:2
Bleibt nur noch Daniel übrig. Hat er seinen Gegner schon in den nervlichen Ruin laviert?
Daniel hat seine Figurenaufstellung jedenfalls verbessert. Weiß muss sich um die schwachen Bauern e4 und b4 kümmern. Solange Schwarz die Initiative behält, bleibt sein König sicher, während der weiße König durchaus etwas luftig steht. Mit diesen Hintergedanken bewaffnet, entkorkt Daniel den positionellen Zug des Tages: 43. … d5! Das ist zu viel für seinen Gegner, der die Welt nicht mehr versteht. Wenig später dringt Daniel immer weiter in die weiße Stellung vor.
Daniel hat eben 56. … Ta7 gezogen. Was will der Turm wohl da? Die Probleme wachsen dem Anziehenden über den Kopf. Er bereitet sein Ende mit 56. b6? vor: 56. … Ta2+ 57. Kg3 Da1 58. b7 Dg1+ 59. Kh3 Dh1+ 60. Kg3 Dh2#
Die Schlussposition verdient ein Diagramm:
Endstand: 6:2
Was für ein gelungener Sonntag für unser Team. Viele lehrreiche, spannende und tragische Momente haben wir durchlebt. Daniel als Positionsmeister und Roman als Taktikmonster möchte ich hervorheben. Aber auch die anderen Siege haben Spaß gemacht. Heute bekommen die Martins für ihre Remispartien den schwarzen Peter, während Felix den Trostpreis erhält.
Die gemeinsame Analyse bei Brotzeit und Bier lässt die Spannung abbauen und uns den Erfolg genießen. Am Ende bleibt ein auch in dieser Höhe verdienter Sieg. Anfang Dezember wird sich zeigen, ob wir auch mit den Favoriten der Liga mithalten können.
* Den Narrenspiegel ich dies nenn, / in dem ein jeder Narr sich kenn; / wer jeder sei, wir ihm gesagt, / wer recht den Narrenspiegel fragt. (Daß Narrenschyff)
** Glück, das – Angenehmes Gefühl; erblüht aus der Betrachtung fremden Elends. (The Devil's Dictionary)