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(Nachtrag zum Spiel vom 7.12.2014)

[ud] Drama im Kampf gegen den Favoriten Haunstetten. Am Tag nach Nikolaus bekommt die zweite Mannschaft eine verspätete Tracht Prügel – rettet aber ein Unentschieden.


Todos nós, que sonhamos e pensamos, somos ajudantes de guarda-livros
num Armazém de fazendas, ou de outra qualquer fazenda, num a Baixa
qualquer. Escrituramos e perdemos; somamos e passamos; fechamos
o balanço e o saldo invisível é sempre contra nós.*
Fernando Pessoa

Der Ruhm nac dem wir tracten/
Den wir vn#erblic acten/
Ist nur ein fal<er Wahn.
**
Andreas Gryphius

[ud] Drama im Kampf gegen den Favoriten Haunstetten. Am Tag nach Nikolaus bekommt die zweite Mannschaft eine verspätete Tracht Prügel – rettet aber ein Unentschieden.

Was ist los im Bürgerheim? Unruhe in der Mannschaft. Nervös mäandern wir hin und her. Sollten wir nicht mit acht Spielern antreten? Wo bleibt Brett sechs? Eine falsche Telefonnummer hilft nicht weiter. Wir sitzen noch nicht richtig, schon steht es 0:1 gegen uns, und das im vermeintlich wichtigsten Kampf der Saison.

Ein unhöflicher Gast neben mir – Bernhards Gegner – pöbelt herum, mault, er will endlich, ja endlich! anfangen, weil ja schon unsägliche Stunden vergangen sind und noch kein Zug ausgeführt ist und er flugs wieder heim will. Er habe keine Zeit zu verlieren. In Wirklichkeit sind erst einige wenige Minuten vergangen, wir warten noch, dass im Nebenraum, wo Pokal gespielt wird, Turnierruhe einkehrt. Aber das ist für diesen anstandslosen Gesellen schon zu viel der Fairness. Nebenbei bemerkt bleibt er am Ende noch viel länger da, seine Partie schon längst beendet, er hätte also sich selbst und vor allem uns den Gefallen tun können und München schnellstmöglich zu verlassen.

Der Kampf fängt also turbulent an. Viel entspannter hat es unser Spitzenbrett. Die Augen geschlossen, die Sonne blendet einfach zu stark, obwohl sie kaum aufgegangen ist. Es rauscht angenehm und gleichmäßig, die Arme hängen entspannt herunter. Und diese Düfte! Die Schläfrigkeit zwingt Daniel, keine unnötigen Bewegungen auszuführen, fesselt an den Liegestuhl. „Kän ei pring ju änasser kocktäil?“. Daniel wird wach. Wo bin ich? Wo ist er? Ach, er spielt heute gar nicht mit, sondern räkelt sich am Strand von Sri Lanka. Neid.

Dann muss Roman die Spitzenposition gegen den sehr starken IM Boris G. vertreten. Wie ich Roman kenne, wird er das mit viel Energie und Kampfeskraft übernehmen. Mutig wählt er die Skandinavische Verteidigung: 1. e4 d5 2. e×d5 Sf6 3. d4 S×d5 4. Sf3 [4. c4 Sb6 5. Sf3 g6 6. Sc3 Lg7 7. c5 Sd5 8. Lc4 ist die vielgespielte Hauptvariante, die z. B. Shirov und Kamsky spielt.] 4. … Lf5 5. c4 [Interessanterweise spielt Weiß hier meistens den für mich unlogisch erscheinenden Zug 5. Ld3, aber mit guten Resultaten (= 66 %!). Z. B.: 5. … L×d3 6. D×d3 e6 7. 0–0 Sc6 8. c4 Sb6 9. Sc3 Le7 10. Lf4 g5 11. Lg3 g4 12. Se5 S×d4 13. c5 L×c5 14. Tad1 0–0 15. Se4 Le7 16. S×g4 c5 17. b4 Sd5 18. b×c5 Sf5 19. Df3 Tc8 20. Ld6 S×d6 21. c×d6 Lh4 22. d7 Tc6 23. Se5 Tc7 24. Dg4+ Kh8 25. Sd6 1—0, Topalov—Kamsky, Wijk aan Zee 2006] 5. … Sb4 6. Sa3 e6 7. Le3 Le7 8. Le2 0–0 9. 0–0 Sd7 10. Dd2 a5 11. Tfd1 Sf6 12. Se5 Bis hierher gibt es sogar eine Vorläuferpartie, nämlich  Stefansson—Gipslis, Luzern 1993. Die Stellung ist im Gleichgewicht. Die nächste Phase der Partie geht eindeutig an den Anziehenden.

Diagramm nach 16. ... Sa6?!

17. Lf3 Tad8 18. De2 Sc7 19. g5 sieht jetzt ziemlich gut für Weiß aus. Sein Gegner spielt jedoch anders und Roman darf seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen und sich als pawn grabber hervortun.

Am zweiten Brett tobt ein Theorieduell in der Damenindischen Verteidigung. 1. d4 Sf6 2. Sf3 e6 3. c4 b6 4. g3 La6 5. Da4 [5. b3 Lb4+ 6. Ld2 Le7 7. Lg2 c6 8. Lc3 d5 ist die hauptsächliche Tabiya dieser Variante.] 5. … Le7 6. Lg2 c6 7. Sc3 0–0 8. 0–0 d5 9. c×d5 [Aronian hat gegen Carlsen 2011 in Moskau 9. Se5 versucht.] 9. … c×d5 10. Lf4 Lb7 11. Tfc1 a6 12. b4 [12. Se5 ist eine gute Alternative.]

Martin M. ist bestens präpariert. Später werden die Cheftheoretiker der Mannschaft dies noch in einem Facebook-Chat vertiefen.

Diagramm nach 18. Sc4

Beide Seiten setzen ihre Absichten durch. Ich schätze die Stellung als ungefähr ausgeglichen ein.

Ach ja, Sie werden bemerkt haben: Ich bin mal wieder ruhelos – nicht ruchlos – und wandere von einem Brett zum anderen. Meine eigene Partie kann mich nicht fesseln, es ist wie so oft, das andere Essen sieht viel besser aus und riecht köstlich, warum habe ich nur den Sch… bestellt? Bringen wir’s hinter uns.

Diagramm nach 6. Lg2

Mein Zug ist hier 6. … 0–0. Ich erinnere mich daran, dass Moskalenko den Läufer gegen den Springer f6 abtauschen will, damit seine Springer in der geschlossenen Stellung dominieren können. Deshalb ist … e6 vor … d5 nicht so gut. Falls nun Lg5, so kann ich … Se4 ziehen.

Was mir bei dem ganzen dummen NACHdenken entgeht, ist die einfache Tatsache, dass bei Moskalenko eine ganz andere Zugreihenfolge gespielt wird, wo der Springer bereits auf c6 steht.

Tja, wie ich immer meinen Schülern predige: „Wenn du nicht 100 % sicher bist, dass es der Buchzug ist, dann überleg dir genau, was du machst. Und spiel nicht einfach so, als ob du es wissen würdest. Damit betrügst du dich selbst.“ Reingefallen.

Besser ist also 6. … Sc6!?

Analysediagramm nach 6. ... Sc6

und führt zu einer Stellung, die Moskalenko in seinem Buch empfiehlt, damit man auf Lg5 mit … Se4 antworten kann.

Die originale Zugfolge lautet: 1. d4 f5 2. g3 Sf6 3. Lg2 g6 4. c3 Lg7 5. Db3 Sc6 6. Sf3 d5.

In der Partie geht es mit 7. Se5 weiter. Er wartet nicht ab, bis ich den Springer nach c6 stelle. 7. … e6 [7. … Sc6!? Trotzdem! 8. S×c6 (8. Sd3!?) b×c6 9. Sd2 (9. Lf4 Se4, und Weiß bekommt keine Kontrolle über e5) 9. … c5!? (9. … a5!? 10. Sf3 La6 mir unklar) 10. d×c5 e5 11. 0–0 a5 mit Kompensation.] 8. Sd2 [Spielt strikt auf das Feld e5. 8. Lg5!? ist im Sinne Moskalenkos stark! 8. … c5 9. d×c5 Sa6 10. Da3 Dc7 11. Sd3 Se4 12. Le3 b6!? 13. b4 (13. c×b6 a×b6 14. 0–0 Lb7 15. Db3 Sac5 mit Kompensation) 13. … b×c5 14. b×c5, und die Stellung ist wahrscheinlich gut für Weiß, auch wenn sie etwas brüchig wirkt. Schachspielen müsste man können!] 8. … Sbd7 9. Sdf3 c5 10. Lf4 c×d4?! [10. … S×e5 ist vermutlich genauer als der Zwischentausch auf d4. 11. S×e5 Sh5 12. 0–0 (12. d×c5? g5–+; 12. h4 b6 ist mir nicht klar; 12. Ld2 b6=) 12. … S×f4 13. g×f4 c4 14. Da3 L×e5 15. f×e5 (15. d×e5 Tf7 16. e3 Tc7 17. Tfd1 unklar) 15. … Tf7 mit mir unklarer Stellung, ist die harte Geschmacksrichtung.] 11. S×d7

O.k., jetzt habe ich keine Probleme mehr.

Übrigens: Haben wir drei gegen drei Internationale Meister gespielt.

Bernhard bekommt eine Katalanische Position aus der Eröffnung.

Diagramm nach 11. ... Sh5

Den Schachjüngern wird immer eingebläut: „Springer am Rand, ist ne Schand“. Aber wohin soll der Läufer? Soll er sich etwa schlagen lassen? Bernhard zieht nach d2 zurück. Schach heißt Varianten ausdenken, immer und immer wieder; ist also Taktik. Ran an den Speck!

12. S×d7!? sieht gut aus. In der Bundesligapartie Romanishin—Seils 1992/93 folgte 12. … D×d7 [12. … S×f4 13. S×f8 S×g2 14. S×h7 Sh4 15. g×h4 K×h7 16. h5, mit Vorteil] 13. S×d5! c×d5! [in der Partie geschah 13. … Ld8 14. Sc3 S×f4 15. g×f4 Lf6 16. e3, und Weiß hat einfach einen Bauern mehr.] 14. Tc7 De6 15. T×b7 S×f4 16. g×f4 Lf6 17. Dc2!, und Weiß steht vermutlich sehr gut.

Wieder mit dabei ist diesmal unser Exilfrankfurter Robert, den es dringend nach Punktgewinn dürstet. Sein Gegner spielt brav.

Diagramm nach 5. ... Sgf6

6. d3 Normalerweise spielt Weiß hier mit Te1 und c3 nebst d4, was ihm eine gute Zentralstellung einbringt: 6. Te1 e6 (6. … g6 7. c3 Lg7 8. d4 c×d4 9. c×d4 0–0 10. Sc3) 7. c3 Le7 8. d4 c×d4 9. c×d4. Nach einigen weiteren Zügen wird klar, dass der Anziehende kein Houdini ist, weder der Befreiungskünstler noch die Schachengine. Stattdessen verknotet er kunstvoll seine eigenen Figuren.

Diagramm nach 18. ... Se6

Schwarz kontrolliert das wichtige zentrale Feld d4. Wo soll Weiß spielen? Wo soll Schwarz spielen?

Unser Kapitän treibt gefährlich auf Untiefen und Strudel zu, sein Bedenkzeitverbrauch ist legendär und Furcht einflößend. Allerdings nur für uns.

Diagramm nach 12. ... c6

Diese Position ist aus einer Anti-Berliner-Mauer-Variante entstanden (was man mit Bindestrichen in der deutschen Sprache nicht alles machen kann!). Die Berliner Mauer ist mir viel zu kompliziert. Und Felix geht es nicht anders. Die schwarzen Figuren wirken etwas unkoordiniert. Wie wird er der drohenden Expansion des Weißen am Königsflügel entgegnen?

Am achten Brett kommt mir die Stellung bekannt vor. Sieht wie eine Art Vorstoßfranzose aus. Schwarz knabbert an der weißen Bauernkette an d4 und e5. Aber sein König steht noch in der Mitte und Martin hat schon zur Flankenattacke mit h4 ausgeholt.

Diagramm nach 11. Sbd2

11. … 0–0. Weiß hat beide Läufer auf Diagonalen, die zum schwarzen Königsflügel lugen und einen flinken Randbauern bereits nach h4 gezogen. Die schwarze Rochade kann daher als mutig bezeichnet werden, oder wie der Engländer sagt: castling into it.

Das wird spannend und spaßig werden. Mir gefällt’s. Ich kann meine Runde beschließen und zum Anfang zurückkehren und schauen, was sich am Spitzenbrett tut.

Diagramm nach 23. ... Sb8

Die schwarze Stellung sieht etwas gefährdet aus, doch Roman kennt keinen Schmerz. Der weiße König ist nach den luftigen Zügen der Rochadebauern nicht gerade sicher, h4 wird fallen. Allerdings stehen die schwarzen Figuren noch in den Startlöchern, erst wenn der Nachziehende dieses Problem lösen kann, können seine Träume wahr werden.

Widerstrebend setze ich mich an mein eigenes Brett, springe aber bald wieder auf, um den Hergang weiter zu studieren.

Diagramm nach 28. Lg2

Wie sich die Lage verändert hat! Weiß hat etwas einseitig am Damenflügel seine Muskeln spielen lassen und Roman hat die Zeit genutzt, um sein Spiel zu befreien. Jetzt sind schon drei Figuren auf den feindlichen König gerichtet. Das weckt große Begierden.

Eine interessante Weiterführung bestünde in 28. … Sg5!? 29. b5 Ta8 30. b×c6 Sh3+ 31. L×h3 D×h3. Das sieht problematisch aus für Schwarz. Allerdings hat er eine versteckte Pointe im Köcher. Falls nämlich 32. c7 (32. Lb6 Dg4+ 33. Kf1 e4 34. c7 Sa6), so stark 32. … Lg3! 33. c×b8D Lh2+ 34. Kh1 Lf4+ 35. Kg1 Dh2+ 36. Kf1 Tf×b8,

Analysediagramm nach 36. ... Tfb8

und trotz Mehrfigur, wird Weiß verlieren. Unfasslich, welche Schätze in solchen Positionen verborgen ruhen. Lüstern nach tödlichen Kombinationen kann ich mich kaum zügeln, muss mich vom Brett losreißen, das nicht mein eigenes heißt.

Diagramm nach 25. ... Lxb5

Das hat Martin M. als Weißer gut hinbekommen. Die c-Linie nutzt dem Schwarzen nichts, die Dame steht abseits und der Bauer a6 neigt zur Schwäche.

26. Tc1

Plant vermutlich den Tausch der Schwerfiguren auf der c-Linie. Am energischsten aber vielleicht 26. Lf1, um sofort den Finger in die Wunde zu legen. 26. … Sd5 (26. … L×f1?! 27. T×f1 De8 28. Da2 Tc6 29. Ta1, und Weiß steht etwas besser) 27. L×b5 a×b5 28. De2 De8 29. Ta5 Tb8 30. Ta7, und Weiß kann diese Stellung niemals verlieren.

Was führt der Anziehende am dritten Brett im Schilde? Mir schwant nichts Böses.

Diagramm nach 11. ... cxd4

Natürlich möchte er die schwarzen Felder bis zum Sankt Nimmerleinstag beherrschen. Den Preis bezahlt er mit der unausgeführten Rochade, was ich soeben mit dem Schlagen auf d4 ausnutzen will.

12. c×d4

So war’s gedacht, allein 12. S×d4!? Hätte mir noch einige Rechenarbeit abverlangt. Zum Beispiel 12. … Se4 (12. … b6!?) 13. D×b7 Tc8 14. 0–0 Sc5 15. D×a7 e5 16. L×d5+ Kh8, mit unklaren Folgen; 12. D×b7? hätte mich jedoch gefreut wegen 12.  … d×c3 13. b×c3 Se4, mit klarem Plus.

12. … Da5+ 13. Ld2 Db5

Kleinlich gespielt! Du Memme! Männlich krul*** wäre 13. … Da6 gewesen. 14. 0–0 Se4 15. Le3 Tfc8 16. Tfc1 La4, sieht gut für Schwarz aus.

14. Se5 D×b3 15. a×b3 Lb5 16. f3 Tfc8 17. Lc3 a6 18. Kd2 Sd7 19. S×d7 L×d7 20. e3

Der Schwarze hat keine Probleme in dieser Stellung, weshalb mein Gegner Remis angeboten hat.

Wenn ich die Türme verdoppeln will, kommt einfach La5 nebst Tc1. Keine Ahnung wie ich hier auf Gewinn spielen soll. O.k., Remis.

Zwischenstand: ½:1½

Nicht schlecht. Jetzt kann ich die restlichen Partien mit durchleiden, muss bloß Obacht geben, nicht auf die Bretter zu sabbern oder gar Züge auszuführen.

Bernhard, wie geht’s?

Diagramm nach 22. ... De6

Das sieht zweischneidig aus. Beide Könige stehen gefährdet, aber während beim Anziehenden eher ein Dauerschach droht, muss der schwarze Souverän Mattgefahren abwehren. Ja! Mach ihn fertig!

Und was rät uns unser Berater? Er rät uns, ruhig zu bleiben, die Stellung den Händen des gegnerischen FIDE-Meisters zu entreißen und das Heft des Handelns zu bestimmen. Jawohl!

Diagramm nach 21. Sg1

Der Anziehende dünkt sich in Wien, in Wien? Ja, in Wien. Er glaubt er sei in der Spanischen Hofreitschule und führt ein „weißes Ballett“ auf. Wie man sich täuschen kann.

Mit dem gut vorbereiteten Zentrumsdurchbruch 21. … d5! übernimmt Schwarz die Zügel. 22. Sd1 e5 23. f×e5 S×e5 24. Sf3 Sg4 25. Lf4 Se6 26. h3 Sf6 [26. … d×c4 27. d×c4 Tad8 28. D×d7 T×d7 29. Lg3 f4 30. Lf2 S×f2+ 31. T×f2, und Schwarz steht etwas besser] 27. Se5 Db7 28. Lh2 Sd4 29. Se3 d×c4 30. S×f5 S×f5 31. T×f5 c×d3

Robert dreht einige Pirouetten mit, sozusagen als Therapie. Jedenfalls sehen wir hier einen Veitstanz (Epilepsia saltatoria) vom Feinsten. Von den gespielten 31 Zügen wurde 28-mal mit dem Springer gezogen! Was hat den Meister nur getrieben? Als Ursachen werden religiöse Ekstase oder halluzinogene Drogen vermutet. Eine andere Erklärung ist der Biss der Europäischen Schwarzen Witwe, deren Gift zu unwillkürlichen neuromuskulären Entladungen führt und neben heftigen Schmerzen Muskelkrämpfe auslöst – also Robert, hast du deine schwarzen Rössel vergiftet?!

Mir ist ganz schwindelig zumute und taumle zu Martin L.’s Partie, wo ich mir Erholung durch einen erquickenden Königsangriff verschaffen will.

Diagramm nach 23. ... Lg6

O je! Martin hat das Läufermanöver des Schwarzen in den letzten drei Zügen nicht ausreichend gewürdigt. Es wird spannend!

24. Kd1 Tae8 25. T×f6 [Der in der Mitte festgehaltene König gewährleistet Schwarz Kompensation. Ein logischer Friedensschluss wäre 25. D×b5 Lh5+ 26. Kc2 Lg6+ 27. Kd1 Lh5+.]

Aber Weiß ist sich seiner Sache sicher. Diese Grandezza möchte ich haben. Gut, dass Schwarz etwas täppisch mit seiner Lage umgeht.

Diagramm nach 28. ... Lh5?

29. Sef3

Wieso nicht 29. g4 spielen? Ich sehe nichts für Schwarz. Meine Nerven!

29. … D×f4 30. c×b5 e5

Diagramm nach 30. ... e5

31. T×c5

31. Dd3! e4 32. D×d5+ gewinnt!

31. … e4

Was ist denn jetzt los? Spielt Material denn keine Rolle mehr?

32. S×e4 d×e4??

32. … T×e4 und jetzt? Aus is, vorbei is.

Der letzte schwarze Zug rettet mich vor Raserei – oder ist es Tollheit?

Schnell zu Roman schauen, da bahnt sich eine Sensation an.

Diagramm nach 31. Lxg5?

Wie soll er zurücknehmen?

31. … L×g5

Stärker ist aber das Schlagen mit der Dame: 31. … D×g5 .Die folgende Variante ist nichts für Feiglinge. Genießen sie ein doppeltes Figurenopfer, welches den weißen König entblößt. 32. Tad1 Sc6! 33. Db5 Sd4! 34. T×d4 L×f2+! 35. K×f2 Tf6+ 36. Lf3 Dh5 37. T4d3 Dh2+ .So und jetzt? Ja, genau, eine Aufgabe! Wie gewinnt Schwarz auf die drei möglichen Königszüge? C’est fantastique!

32. Te2 Td8 33. Dc2 Dg4 34. De4?!

Der verständliche Wunsch des Anziehenden die lästige in seinem Vorgarten Unkraut jätende Dame zum Abtausch zu bewegen. Trifft allerdings auf taube Ohren.

34. … Lf4 35. c5

Diagramm nach 35. c5

35. … Td4

35. … Sc6!? 36. Df3 Dh4 37. Dh3 D×h3 38. L×h3 S×b4, und vom mächtigen weißen Damenflügel ist nichts mehr übrig.

36. Df3 Df5

Ganz schön spechtig …

36. … Dh4!? 37. Tb1 (37. Dh3 D×h3 38. L×h3 T×b4, mit klarem Vorteil Schwarz) 37. … Lh2+ 38. Kf1 (38. Kh1 Lg3+ 39. Kg1 Dh2+ 40. Kf1 Tf6 41. Da8 Tdf4, und Weiß ist platt.) 38. … T×b4 39. T×b4 D×b4, und Schwarz steht besser.

37. b5?!

37. Db7!? Und jetzt? 37. … Lh2+! 38. K×h2 Dh5+ 39. Kg1 D×e2 40. D×b8+ Kh7 41. c6 Tf4 42. Tf1 Tg4, und Schwarz bekommt ein Dauerschach.

37. … Te6?!

Diagramm nach 37. ... Te6?!

Oh, oh. Wenn das mal gut geht. Die weißen Bäuerchen sehen ziemlich gefährlich aus.

Das halte ich nicht länger aus. Martin M. spielt doch eine ruhige Positionspartie, das soll mir Ruhe gönnen.

Diagramm nach 33. ... Lb5

Während ich so zuschaue, denke ich mir, wie Schwarz durchdringen will, wenn Weiß auf b5 nimmt und den König zwischen c3 und b3 pendeln lässt. Ich finde nichts und meine, dass dies Remis ausgehen sollte.

Dabei übersehe ich natürlich, dass Schwarz einen gemeinen Trick hat: Er spielt den Bauern nach g4 und den Springer nach d5. Dann droht immer mal der Durchbruch mit … f4.Tja, wieder mal danebengelegen.

34. Lg2 Kd7 35. Lc5 Kc6 36. Kd2 Ld3 37. Kc3

37. f3!? hält die Stellung vermutlich. Martin meint das jedenfalls.

Jedenfalls schwant mir nichts Gutes. Sollte der zweite Haunstetter IM Martin Erfolg haben?

Wie sind denn die Wasserstände bei Bernhard?

Diagramm nach 29. ... Kh8

Der schwarze Springer ist angegriffen, aber der weiße Läufer hängt. Wie geht es weiter?

30. Ld2?

Schaaaaaddddeeee! Die heilige Troika hätte geholfen. Welche heilige Troika? Immer in der Reihenfolge diese drei Punkte prüfen: Schachgebot, Schlagfall, Drohung. Hier gewinnt das Schachgebot.

30. De5+! Eine gemeine Feinheit lautet auf … Tf6, dass jetzt Th3! geht.

A) 30. … Kg8 31. e×f5 D×h6 32. Tc7 Tae8 (32. … T×f5 33. T×f5 g×f5 34. Dd5+ +–) 33. Dd5+ Kh8 34. Dd4+ Kg8 35. f×g6! T×f3 36. g×h7+ D×h7 37. Dg4+ +–;

B) 30. … Df6 31. D×b5 a6 (31. … Tg8 32. Le3 a6 33. Db1 Tad8 34. e×f5 g×f5+ 35. Tg3 +–) 32. Db3 Dh4 33. Dc3+ Df6 34. L×f8 T×f8 35. D×f6+ T×f6 36. e×f5 +–.

Die schwierige Aufgabe liegt in Variante A. Die Vorstellungskraft muss so stark sein, dass es klar vor Augen erscheint, welch tödliche Wirkung das Schlagen im 35. Zug auf g6 besitzt. Die Maschine blinkt lustig und zeigt aberwitzige Bewertungen, wir Sterblichen müssen uns jedoch mühsam hineindenken und werden von tickenden Maschinen bedrängt.

30. … Sg7 31. Tf7 Tad8?

Diagramm nach 31. ... Tad8?

Ein letzte Gelegenheit bietet sich: 32. f3! (weder Dame noch Turm dürfen genommen werden, jetzt ist g4 gedeckt) h6 (Luft) 33. T×f8+ T×f8 34. Tc7 ±, mit guten Gewinnaussichten. 34. … T×f3 scheitert an 35. Tc8+.

Bernhard ist knapp mit seiner Zeit und findet diesen feinen siliziumschillernden Zug nicht. So kann sich sein Gegenüber in ein Dauerschach retten.

Zwischenstand: 1:2

Bei Robert ist nun Schluss mit dem Springertänzchen. Er macht ernst. Sein Gegner hat ihm freundlicherweise einen Bauern auf d3 gegönnt.

Diagramm nach 33. b3?

33. … De4

Muss gewinnen denkt Robert. 33. … Se4! 34. Dd1 T×f5 35. T×f5 Dd5 mit Gewinn. Wieso? Weil Schwarz droht, auf e5 zweimal zu schlagen und anschließend auf f2 eine Gabel zu geben. Dagegen ist kein Kraut gewachsen.

Dann müssen wir auf den Mannschaftsausgleich noch warten.

Wie geht es Felix mit seiner stabilen Bauchlage?

Diagramm nach 33. ... Sxh7

34. b4

34. e×d5 c×d5 35. g4 ± wäre wahrscheinlich unangenehmer für Schwarz, der sich natürlich in horrender Zeitnot befindet. Zum Glück hat Weiß dies nicht früher ausnutzen können, in dieser vereinfachten Stellung hat Felix nicht so viel Auswahl, ergo nicht so viel Möglichkeiten nachzudenken.

34. … Tf7 35. Le3 Sf8 36. Th6 Sd7 37. Th8 Sf8 38. Th6 Se6 39. Th8 Sf8 40. Th6 Se6 41. Th8

Weiß fällt nichts mehr ein. Felix fragt nach, ob er Remis machen kann. Ich stimme sofort zu, denn Roman, Robert und Martin L. stehen sehr gut und nur Martin M. kritisch.

Remis!

Mit 41. d4 d×e4 42. f×e4 e×d4 43. c×d4 hätte Weiß den Schwarzen noch vor eine schwierige Verteidigungsaufgabe stellen können.

Zwischenstand: 1½:2½

Roman hat die Stellung nach einigen schwachen Zügen seines Gegners fest im Griff. Er hat zwei Mehrbauern und der weiße Freibauer scheint sicher blockiert. Aber wie kommt Schwarz weiter? Da muss es doch etwas geben?

Diagramm nach 42. Tcc1

42. … Ted6?!

Verpasst den sofortigen Knock-out. 42. … Td3! 43. De2 Dh2+ 44. Kf1 e3!

A) 45. D×d3 e×f2 46. K×f2

Analysediagramm nach 46. ... Kxf2

Und wieder: Aufgabe! Wie setzt Schwarz matt?

46. … Lb6+! 47. Kf3 Tf6+ 48. Ke2 (48. Ke4 Df4+ 49. Kd5 Td6#; 48. Kg4 Tf4+ 49. Kg5 Dh4 #) 48. … D×g2+ 49. Ke1 Tf2, und Matt auf g1;

B) 45. Sc4 e×f2 46. D×f2 Tf6 –+.

43. Sb3 Td3 44. D×e4 D×e4 [44. ... Dh5!?] 45. L×e4 T×b3 46. Ta7! S×c6! 47. T×c7 Sd4 48. Tc8+ Kh7 49. Kg2

Diagramm nach 49. Kg2

Weiß hat sich ins Endspiel gerettet. Außerdem steht der schwarze König unsicher. Es droht bereits Th1 mit Matt. Aber auch Tf8 nebst Turmverdopplung auf der 8. Reihe kommt infrage. Also was tun?

Da geh ich schnell ans andere Brett und schau mir Roberts Technik an.

Diagramm nach 39. Td1

39. … Se4 40. Sf7 T×f7 [40. … c3!] 41. D×f7 D×f7 42. T×f7 Kg6! 43. Tf4 c3 44. T×e4 c2 45. Tee1 d×e1D+ 0–1

Hurra!

Zwischenstand: 2½:2½

Was bleibt? Die Martins. Fangen wir mit Martin L. an.

Diagramm nach 42. ... De5

Sehr schön. Weiß schwingt die Peitsche. Im schlechtesten Fall ergibt sich ein gewonnenes Turmendspiel. Aber das riecht nach mehr mit diesem FKK-König!

43. D×e5+

43. Dd2+! beendet die Partie ganz schnell:

A) 43. … Ke6 44. Dd7+ Kf6 45. Df7 #;
B) 43. … Kc5 44. Dc1+ Kd4 (44. … K×b5 45. Tb7+ Ka6 46. Dc6+ Ka5 47. Da4 #) 45. Tg4+;
C) 43. … Dd5 44. Td7+ K×d7 45. D×d5+.

Jetzt können wir Martins Endspieltechnik bewundern. Oder?

Diagramm nach 44. ... Txb5

45. T×a7

45. T×h7 ist viel einfacher, weil der Damenflügel intakt bleibt. 45. … Ta5 46. Th8, und Schwarz kann sich nicht auf a2 bedienen. Egal. Er wird’s schon richten.

Inzwischen musste leider Martin M. sein Endspiel aufgeben. Trotz zäher Verteidigung war nichts mehr zu machen.

Zwischenstand: 2½:3½

Zurück zum Turmendspiel:

Diagramm nach 48. ... Txa2

49. Tf7 [49. Te7+ Kd6 50. h7 Th2 51. Ta7 ist einfacher.]

Die Stellung ist so haushoch überlegen, dass man sich schwertut, das Weiterspielen des Gegners zu verstehen.

Diagramm nach 56. ... Kc7

57. Ke5 [Was spricht gegen 57. Ta8 mit Turmgewinn?] 57. … Kb7 58. Tf6 T×h7 59. Ke6 Kc6 60. Tf7 Th1 61. f4 Tb1 62. f5 T×b4

Ach so, er will zeigen, dass er die Lucena-Stellung beherrscht …

Oder ist es Sadismus, weil sein Gegner nicht aufgibt? Anyway, Weiß siegt sicher.

Zwischenstand: 3½:3½

Und Roman?

Diagramm nach 53. Lg2

53. … Sf3+?!

53. … Td1+! 54. Kh2 Td2 gewinnt den letzten weißen Landwirt und damit die Partie.

54. L×f3 T×f3 55. Kg2 Tf4 56. Tc2?! g5 57. Tf7

Aufgabe: Wie kann der schwarze König in eine sichere Position gebracht werden?

57. … Kg6?!

57. … g4!, mit der Idee … Kg5 und … g6. Schwarz hat sehr gute Gewinnaussichten.

58. Tcc7! Td2 59. T×g7+ Kh5 60. Kg3! Td3+ 61. Kg2 Td2 62. Kg3 Td3+ 63. Kg2 Kg4

Nach 63. … Tg4+!? 64. Kf1 Ta4 steht Schwarz immer noch besser.

64. Tc2 Tfd4 65. Tc6 Td6 66. Tc4+ T6d4 67. Tc6 Td6 68. Tc8 f4?

Damit willigt Roman unausgesprochen ins Remis ein.

69. f3+! Kf5

69. … T×f3 70. T×g5+! K×g5 71. K×f3 Td3+ 72. Kf2, und Weiß wird die Philidor-Stellung erreichen – die kennt ja jeder, oder?

70. Tf8+ Tf6 71. Tfg8 Td2+ 72. Kg1 Td1+ 73. Kg2 Td2+ 74. Kg1 Td1+ 75. Kg2 Td2+ 76. Kg1 ½–½

Was für ein Kampf!

Ich liebe diese verwickelten und taktisch überquellenden Stellungen – und ich fürchte mich davor, jemals eine solche Stellung am eigenen Brett spielen zu müssen!

Endstand: 4:4

Beinahe wäre uns die Sensation geglückt. Wir hätten zu siebt gegen den hohen Favoriten gewinnen können, ja müssen. Immerhin ein Mannschaftspunkt. Der ist jedoch nur gut gegen den Abstiegskampf, nicht jedoch für Aufstiegsträumereien. Jetzt haben wir 5:3 Mannschaftspunkte, wir sind weder sicher noch können wir jubeln.

Spieler des Tages ist für mich eindeutig Roman gewesen. Schade, dass es nicht zum vollen Punkt gereicht hat, aber am Ende hat die Kraft gefehlt. Trotzdem eine herausragende Leistung.

Das war der vierte Spieltag — FINIS

* Wir alle, die wir träumen und denken, sind Buchhalter und Hilfsbuchhalter in einem Stoffgeschäft oder in irgendeinem anderen Geschäft in irgendeiner Unterstadt. Wir führen Buch und erleiden Verluste; wie ziehen die Summe und gegen vorüber; wir schließen die Bilanz, und der unsichtbare Saldo spricht immer gegen uns. (Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares)

** Der Ruhm nach dem wir trachten / Den wir unsterblich achten / Ist nur ein falscher Wahn. (Vanitas! Vanitatum Vanitas!)

*** Ein neues Adjektiv von mir. Die Wortbedeutung kommt vom Substantiv und Namen „Krulich“, es gibt neue Formen wie „krul“ oder „krulich“.

 

 

 

 

 

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