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FM Ulrich Dirr kommentiert seine Partie aus der Regionalligapartie

Robert Zeier — Ulrich Dirr
MSA Zugzwang 2 — Münchener SC 2, 10. 12. 2017

1. e4 e6 2. d4 d5 3. Sc3 Lb4 4. e5 Se7 5. a3 L×c3+ 6. b×c3 c5 7. Dg4 0-0 8. Ld3 f5 9. e×f6 T×f6 10. Lg5 Tf7 11. Dh5 g6 12. Dd1 Sbc6 13. Sf3 Da5 14. Ld2 Sf5

Die Hauptzüge sind 14. … Dc7 und 14. … c4.
Mein Zug diente lediglich dazu, meinen Gegner zu selbstständigem Denken zu zwingen. Mit Erfolg, denn er versank in der Folge immer wieder in langes Grübeln und dies verhinderte am Schluss sogar ein schlimmes Ende.

15. 0-0 c4 16. Le2 Sd6 17. Sg5 Tf6 18. f4 Ld7 19. Lf3 Taf8 20. Te1 h6 21. Sh3 Kg7 22. Sf2

Diagramm nach 22. Sf2

22. … Sb5?

Geplant war eigentlich 22. … T×f4 23. L×f4 T×f4

Diagramm nach 23. Txf4

24. Dc1
Das ist der kritische Zug, den ich zwar lange betrachtet und wie ich glaube richtig eingeschätzt habe, aber dann blitzte plötzlich 24. Sh3 in meinem porösen Hirn auf und lenkte mich hinlänglich vom rechten Pfad ab … (Wegen 24. Sh3 habe ich deshalb das sofortige Qualitätsopfer verworfen, weil ich dachte, dass jetzt der Turm von d4 abgelenkt würde und anschließend c3 gedeckt werden könnte … habe ich zumindest gedacht. Aber nach 24. … Tf6 25. Dd2 geht natürlich 25. … Sb5 -/+, was nicht nur c3 angreift, sondern auch d4 (und das habe ich übersehen und dachte, dass Weiß nun mit Te3 den Bauern decken könnte); natürlich geht auch 24. Dd2 nicht wegen 24. … T×d4, und Schwarz gewinnt; und 24. Te3 scheitert am einfachen 24. … Sf5! -/+)
24. … T×f3!
Ein wirklich seltener Fall eines doppelten Qualitätsopfers.
25. g×f3 D×c3

Das sind die Stellungen, bei den die Französischherzen vom aufgeregten Stakkato in wilde Raserei verfallen.
Schwarz hat gute Kompensation für die beiden geopferten Qualitäten.

23. De2! Da4 24. Ta2 +/=.

Jetzt war ich mit meinem Latein am Ende. Eigentlich wusste ich, dass ich diese Blockade nicht auflösen durfte und mit 24. … Sd6 in die mühselige Verteidigungshaltung übergehen sollte. Aber sind wir nicht alle Träumer?

24. … Da5? 25. Taa1?! Dc7?! 26. a4 Sd6 27. Sg4 Tf5?!

Besser gleich zurück. Auf f5 verliere ich später noch einmal ein Tempo.

28. Se5 S×e5 29. f×e5? [29. d×e5! +/-] 29. … Sc8?!

Natürlich musste ich jetzt mutig nach vorne spielen. Allein große Dunkelheit breitete sich zügig in meinem Kopf aus und verhinderte jeden klaren Gedanken. Dabei war es gar nicht so schwer zu sehen: 29. … Se4!? 30. L×e4 d×e4

31. a5!? +/= ist vermutlich etwas besser für Weiß, aber Schwarz spielt noch mit. Das gierige sofortige Schlagen mittels 31. D×e4?! ist nicht so gut, weil Schwarz schnell Gegenspiel erlangt: 31. … Lc6 32. De2!? (32. De3? Tg5 33. Te2 (33. g3?? verliert stante pede wegen 33. … Dd8!) 33. … Tf3! =/+) 32. … Tf2 33. D×f2 T×f2 34. K×f2, und Schwarz steht nicht schlechter.

30. De3!

Zwingt mich zu unerlaubten Entblößungen meiner Königsstellung.

30. … g5 31. Lg4 Tf4 32. Dg3!

Das war’s, dachte ich mir. Der Turm zieht weg, dann kommt h4 und meine Königsstellung fliegt auseinander. Ich versuche noch

32. … Tf2

in Erwartung, dass Weiß einfach seinen Läufer deckt. Danach droht nicht nur h4, sondern auch einfach Lf3.

33. Le3 T×c2 34. h4?

Was ich in der Partie nicht gesehen habe, aber mich zügig in Nirwana befördert hätte, ist das brutale 34. L×g5! h×g5 35. Ld1!

Ein grausames Beispiel des Tartakowerschen „reculer pour mieux sauter“ (sinngemäß etwa: um einen großen Schritt vorwärts machen zu können, muss man manchmal Anlauf nehmen, d.h. zurück). Der schwarze König ist völlig hilflos den weißen Horden ausgeliefert.

34. … T×c3

Mein erster Gedanke 34. … g×h4 scheitert großartig an 35. L×h6+! +–;
Aber auch das passive 34. … Dd8 wird nach 35. Tf1 nicht lange standhalten.

35. h×g5 h5

Ein Ablenkungsversuch vom eigentlichen Tatort.

36. L×h5?

Zum Glück spielen viele in Zeitnot die naheliegenden „logischen und selbstverständlichen“ Züge. Stattdessen hätte der stille Zug 36. Tf1! den schwarzen Verteidigungsbemühungen ein schnelles Ende bereitet. Zum Beispiel: 36. … Dd8 (36. … T×e3 37. D×e3 h×g4 38. T×f8 K×f8 39. Tf1+ Ke8 40. g6!+–; 36. … h×g4 37. Dh4 Th8 38. Df2!+–) 37. T×f8 D×f8 38. Tf1 De8 39. Dh2! gewinnt. Aber das muss man natürlich sehen, dass die Schlussstellung hoffnungslos ist, obwohl einige Figuren en prise sind …

36. … Se7 37. Lg4 Db6?!

Ein weiterer Ablenkungsversuch durch die Drohungen auf e3 und d4. Viel besser wäre 37. … Sf5 +/= gewesen.

 

38. Dh4?

 

38. g6! wäre ziemlich unangenehm geworden.

38. … Th8 39. Df2 Tf8 40. Dh4 Th8 41. Df2 Tf8

Der Zugwiederholung mittels 41. … Sf5 auszuweichen, hielt ich angesichts der schwachen schwarzen Felder für zu riskant. 42. L×f5 e×f5 43. e6! Vor dieser Öffnung hatte ich in der Vorausberechnung Angst. Jetzt hat Weiß Zugriff auf meinen König über die schwarzen Felder. Und der Zug ist nach der Zeitkontrolle leicht zu finden …

 

42. Dh4 ½–½

 

Mit Remisreklamation.
Fazit: Wenn man seine Chancen nicht ergreift, muss man auch die Selbstauspeitschung ertragen. Oder mit Schach aufhören …

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